Herzlich Willkommen auf der Homepage der Münsterschen Griechenlandseminare


Die Reihe "Choregia - Münstersche Griechenlandstudien" wird mit Heft 16 beendet, siehe hier

Die Münsterschen Griechenlandseminare sind an die neue Leitung übergeben, siehe hier


Zitat der Woche


 

Γυνὴ δὲ χρηστὴ πηδάλιόν ἐστ᾽ οἰκίας.

Eine tüchtige Frau hat im Haus das Ruder in der Hand.

Im klassischen Athen war eine ziemlich sichtbare Trennlinie zwischen den Geschlechtern gezogen. Während die Männer den größten Teil des Tages in der Öffentlichkeit verbrachten –   die Jüngeren im Gymnasion und die Älteren auf der Agora –, hüteten die Frauen das Haus. Dies galt zumindest für die Wohlhabenderen, die nicht für ihren täglichen Lebensunterhalt arbeiten mussten. Diese Frauen verließen im Alltag so gut wie nie das Haus. Zum Wasserholen wurden Mägde ausgeschickt und die Einkäufe auf dem Markt erledigten Sklaven oder der Hausherr selbst. Was dann aber von außerhalb herbeigeschafft wurde, sei es Nahrung oder Wolle, verarbeitete die Ehefrau im Hause. Dabei oblag ihr die Verantwortung für Ordnung und die Wahrung des Besitzes. Unser Zitat umschreibt ihre Rolle bildlich: Wer das Steuerruder eines Schiffes in Händen hält, bestimmt dessen Kurs. Eine tüchtige, ihrer gesellschaftlichen Rolle bewusste Frau ordnet an, was im Haushalt zu tun ist.

Menander bietet hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Myrrhine heißt eine Bürgerfrau in der Perikeiromene, die das Ruder fest in der Hand hält. Ihr Mann ist abwesend auf dem Landgut, also trifft sie die Entscheidungen. Sie sorgt dafür, dass die Haustür verschlossen ist, gewährt einer jungen Nachbarin (der Titelheldin) Schutz vor ihrem gewalttätigen Liebhaber, und hält zugleich ihren Ziehsohn, der ein Auge auf das schöne Mädchen geworfen hatte, von ihr fern. Als erste erkennt sie, dass es sich bei den beiden um getrennte Geschwister handelt, und befördert damit eine glückliche Lösung. Nirgends aber in den erhaltenen Textfragmenten erscheint diese tüchtige Frau persönlich auf der Bühne, dem Schauplatz des dramatischen Geschehens vor dem Hause. Man fragt sich, ob diese Abwesenheit ihre Rolle als Ehefrau bezeichnen soll oder der Ungunst der Textüberlieferung zuzuschreiben ist.

HDB / GZ